15. April 2024
Aachen. Die Arbeitsgemeinschaft katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen im Bistum Aachen (AGkE) lehnt eine Absenkung des Strafmündigkeitsalters ab. Diese wird im Zusammenhang mit der jüngst veröffentlichten Kriminalitätsstatistik diskutiert. Stattdessen fordert sie mehr passgenaue Hilfen für Kinder und Jugendliche.
Die aktuell vorgelegte Kriminalstatistik in NRW weist darauf hin, dass Kinder- und Jugendkriminalität auch im Bereich Gewaltkriminalität zunimmt. „Auch wir sind besorgt und zutiefst erschüttert, wenn Kinder und Jugendliche, die noch nicht strafmündig sind, brutalste Gewalttaten – einige von ihnen sogar mit Todesfolge – begehen. Die angemessene Antwort auf Herausforderungen während der Entwicklung junger Menschen und auf Normabweichungen sehen wir allerdings in der Erziehung und Hilfe bzw. in der Unterstützung der Familiensysteme. Der Jugendstrafvollzug bietet keinen geeigneten Rahmen für pädagogisches Handeln“, sagt Julia Bartkowski, Vorsitzende der AGkE. Sie leitet das Bethanien Kinder- und Jugenddorf in Schwalmtal.
Im Gegensatz zur aktuellen Diskussion über die Absenkung des Alters für Strafmündigkeit fordert die Arbeitsgemeinschaft, Prävention und Integration für Kinder und Jugendliche in den Fokus zu rücken. „Das Versorgungssystem für Kinder, Jugendliche und Familien wird durch fehlende Refinanzierung und den Fachkräftemangel im Bildungs- und Sozialwesen immer lückenhafter“, sagt AGkE-Vorstandsmitglied Marianne Hiol. Sie leitet die Abteilung für Familie, Kinder & Jugend beim Caritasverband für die Region Heinsberg.
Jugendliche, die in einem gewaltvollen Umfeld aufwachsen und selber Gewalt erfahren, haben nach Angaben von Stefan Hoffmanns, Leiter er Katholischen Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche in Viersen, ein erhöhtes Risiko, gewalttätig zu werden und mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. „Eine Absenkung des Strafmündigkeitsalters führt allerdings zu einer Kriminalisierung und verstärkt die prekäre Lebenslage weiter“, sagt das AGkE-Vorstandsmitglied. Zu den Ursachen für Jugendkriminalität zählen soziale Benachteiligung und Armut, familiäre und erzieherische Probleme, Bildungsmängel, der Einfluss der Peer Group und die Suche nach Anerkennung.
Vorstandsmitglied Guido Royé, der die Jugendhilfeeinrichtung Schloss Dilborn in Brüggen leitet, sagt, die Jugendhilfe habe die komplexen Faktoren für Jugendkriminalität im Blick. Daher könne sie erfolgreich und wirksam auch mit delinquenten Kindern und Jugendlichen arbeiten. Als ein Beispiel nennt er das Landesprogramm „Kurve kriegen“, in dem Polizei und die Sozialarbeit der Freien Wohlfahrtspflege erfolgreich mit straffällig gewordenen Jugendlichen arbeiten. „Allerdings bedarf es zusätzlicher, maßgeschneiderter Lösungen für diese Zielgruppe. Die politische Absicherung der finanziellen, personellen und fachlichen Ressourcen für die langfristige Bereitstellung von Jugendhilfe-Angeboten sehen wir als größte Herausforderung.“
Vorstandsmitglied Robert Wagner, der Geschäftsführer des Hauses St. Josef in Eschweiler ist, regt eine Versachlichung der emotional bis populistisch geführten öffentlichen Debatte an. „Es ist immer erschütternd, wenn schlimmste Gewalttaten durch Strafunmündige verübt werden und scheinbar nichts passiert. Gleichzeitig ist es aber so, dass die Anzahl der durch Kinder unter 14 Jahren verübten Straftaten seit Jahren rückläufig ist. Also scheinen auch ohne eine Herabsetzung des Alters der Strafmündigkeit die gewählten Maßnahmen Erfolg zu haben“, sagt Wagner. Fachleute seien sich einig, dass eine Herabsetzung des Alters der Strafmündigkeit nicht zu einer Verringerung von Straftaten führe und ein Gefängnis kein Ort für Kinder sei. Auch wenn scheinbar nichts passiere im Sinne einer strafrechtlichen Maßnahme so kümmerten sich Polizei, Familiengerichte und Jugendämter intensiv um strafunmündige Täter.
In Deutschland gelten Kinder unter 14 Jahren nach § 19 des Strafgesetzbuches als strafunmündig. Sie können daher strafrechtlich nicht belangt werden. Jugendliche im Alter von 14 bis unter 18 Jahren fallen unter das Jugendgerichtsgesetz. Dieses sieht eher erzieherische Maßnahmen an Stelle von Strafen vor.
Die AGkE im Bistum Aachen verfolgt das Ziel, die Kooperation und Vernetzung der Erzieherischen Hilfen in katholischer Trägerschaft auf den verschiedenen Ebenen zu fördern und ihre Interessen zu vertreten. Sie unterstützt die Sicherung und Weiterentwicklung fachlicher Standards, um Strukturen zu schaffen, die die Lebensbedingungen benachteiligter Kinder, Jugendlicher und Familien verbessern helfen. Die rund 80 katholischen Mitgliedseinrichtungen aus allen Regionen des Bistums Aachen halten – je nach Schwerpunkt – ambulante, stationäre und teilstationäre Hilfen zur Erziehung, Familien- und Erziehungsberatungsstellen, Pflegekinderdienste, Hilfen für unbegleitete minderjährige Ausländer sowie Offene Ganztagsschulen vor.
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